Wenn Nähe schwerfällt – Wie systemische Verstrickungen die Kommunikation in der Paarbeziehung blockieren und wie Aufstellungen gemeinsam mit Gewaltfreier Kommunikation neue Wege eröffnen
Viele Paare erleben wiederkehrende Konflikte, obwohl sie sich eigentlich lieben. Ein häufiger Schmerzpunkt: Einer der Partner – oder beide – können ihre Gefühle und Bedürfnisse nicht offen mitteilen. Stattdessen entstehen Rückzug, Vorwürfe oder Missverständnisse. Gewaltfreie Kommunikation (GFK) bietet hier einen klaren und empathischen Weg, mit sich selbst und dem anderen in Verbindung zu bleiben. Doch manchmal reicht dieser Ansatz allein nicht aus – weil auf tieferer Ebene etwas blockiert.
Ein Beispiel aus der Praxis
Anna (37) und Jonas (39) kommen in die Praxis. Anna wünscht sich mehr emotionale Nähe. Jonas reagiert oft mit Rückzug, wenn Anna ihre Bedürfnisse äußert. In Gesprächen nach der Methode der GFK wird deutlich: Jonas fällt es schwer, überhaupt mit eigenen Gefühlen in Kontakt zu kommen, geschweige denn sie zu benennen. Er hat gelernt, ruhig und „vernünftig“ zu bleiben – auch wenn ihn etwas verletzt. Auf Annas Wunsch nach Verbindung reagiert er mit innerem Druck oder Schuldgefühl – nicht aus Abwehr, sondern weil ihm die emotionale Offenheit fehlt.
Systemaufstellung: Was dahinter sichtbar wird
In einer Paaraufstellung mit Fokus auf Jonas’ inneres Erleben wird deutlich: Als ältester Sohn einer emotional überforderten Mutter fühlte er sich früh verantwortlich, „stark zu sein“ und eigene Bedürfnisse zurückzustellen. In der Aufstellung zeigt sich eine tiefe Loyalität: „Wenn ich schwach bin, lasse ich sie im Stich.“ Diese Haltung wurde unbewusst auch auf die Partnerschaft übertragen – Nähe wurde mit Schwäche assoziiert, Bedürftigkeit mit Gefahr.
Das Format: Innere Aufstellung in Einzelsitzung
Im geschützten Rahmen einer Einzelaufstellung mit Bodenankern oder Figuren konnte Jonas innerlich in Kontakt treten mit dem kindlichen Teil in sich, der damals Verantwortung übernommen hatte. Durch das Sichtbarmachen der systemischen Dynamik und das achtsame Umstellen der inneren Bilder entstand Raum für einen neuen Platz: Jonas konnte symbolisch die Verantwortung zurückgeben und einen Platz als erwachsener Mann neben Anna einnehmen – nicht überverantwortlich, sondern verbunden.
Integration mit GFK – und die Veränderung in der Beziehung
Nach der Aufstellung fiel es Jonas spürbar leichter, in Gesprächen mit Anna über seine Gefühle zu sprechen. In einer gemeinsamen Sitzung mit GFK-Elementen konnte er sagen: „Ich merke, dass ich Angst habe, dir nicht zu genügen – und gleichzeitig wünsche ich mir, dass du das siehst, ohne dass ich perfekt sein muss.“ Für Anna war das ein Schlüsselmoment – sie fühlte sich zum ersten Mal wirklich gesehen.
Die Kombination aus Aufstellungsarbeit und Gewaltfreier Kommunikation hat es beiden ermöglicht, nicht nur Symptome (z. B. Rückzug, Kritik) zu verstehen, sondern auch die darunterliegenden Muster zu erkennen und aufzulösen. Ihre Paarbeziehung hat dadurch an Tiefe, Vertrauen und emotionaler Offenheit gewonnen.